Wie Performance- und Gehaltsrunden in einer Firma ohne Vorgesetzte umgesetzt wird

Die wichtigsten Säulen der Gini Kultur sind Selbstorganisation, Autonomie sowie persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Nachdem wir ein Unternehmen nach diesen Prinzipien aufgebaut haben, glauben wir aus tiefstem Herzen, dass wir ein Umfeld geschaffen haben, in dem unsere Kollegen Raum für Wachstum, Fortschritt und Engagement für Themen haben, die ihnen am Herzen liegen. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass es bei Gini keine Chefs gibt – aber viele Leader. In der Tat kann jeder ein Leader werden. Entweder verfügt ein Gini über spezifische Fähigkeiten und Fachkenntnisse, die ihn dazu befähigen, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Oder derjenige hat eine Leidenschaft für einen Bereich und will die Dinge voranbringen. In jedem Fall hängt die Führung stark von den Umständen ab und kann im Laufe der Zeit variieren. Diese Tatsache zusammen mit dem Wunsch der Ginis in ihrer Rolle und damit in ihrer Vergütung voranzukommen, wirft die folgende Frage auf: Wie kann ein Bewertungs- und Vergütungsprozess in einem Unternehmen ohne Vorgesetzte aussehen?

Vor vielen Jahren ist das Thema eines fairen Leistungs- und Vergütungsmodelles aufgekommen. Wie die meisten anderen Unternehmen hatten wir uns bis dato auf Verhandlungen verlassen – und sind gescheitert. Verhandlungen begünstigten stark extrovertierte Menschen, die keine Angst hatten, um eine Gehaltserhöhung zu bitten. Introvertierte oder schüchterne Ginis hatten bei diesem Thema oft Nachteile. Manchmal erfuhren sie jahrelang keine Gehaltserhöhung, trotz großartiger Arbeit. Nachdem wir dies endlich erkannt hatten, entschieden wir uns für einen fairen Prozess. Einen Prozess, der folgende Anforderungen von uns erfüllen sollte:

  • Fairness: Wir wollten einen Prozess, der auf dem Prinzip basiert, dass jeder fair bezahlt wird, abhängig vom Senioritätslevel und der Leistung.
  • Klarheit: Wir haben uns um einen Prozess bemüht, der so klar und einfach wie möglich ist, und alle wertvollen Beiträge enthält. Ein Verständnis für den Prozess zu haben bedeutet auch, die Ergebnisse besser nachvollziehen zu können.
  • Wachstum: Indem wir sowohl gute als auch schlechte Leistungen klar ansprechen, hofften wir das Wachstum jedes Einzelnen zu ermöglichen.
  • Sicherheit: Indem wir einen klaren Prozess haben, möchten wir Stabilität schaffen.

Abgesehen von diesen wichtigen Punkten, sollte das neue Modell auch ein toller Feedbackprozess sein. Ziel war es, dass jeder bewertete Gini einen Bericht mit wertvollen qualitativen und quantitativen Daten erhält.

Eine Gruppe, bestehend aus Personen aus verschiedenen Teams, kam zusammen und arbeitete an einem ersten Entwurf. Sie untersuchten Unternehmen mit unkonventionellen Prozessen und überlegten, welche Teilbereiche auf unseren individuellen Prozess übertragen werden könnten. Nach etwa einem Jahr Recherche wurde das „Performance Evaluation Committee“ gebildet, bestehend aus einem Mitglied des Finance-Teams, einem Mitglied des People-Teams und dem CEO.

Im Oktober 2018 haben wir den ersten Prozess der “Performance Evaluation and Salary Review“ gestartet. Die Erwartungen waren hoch – sowohl aufgrund der eigenen Erwartungen des Gremiums basierend auf allen bisherigen Bemühungen als auch aufgrund der Erwartungen des Teams an einen fairen Prozess. Wurden die Erwartungen erfüllt? Nein. Dem Prozess fehlten immer noch wichtige Teile, die erst bei der ersten Anwendung ans Licht kamen. Die Bewertung selbst war schwierig, da wir nur Google-Formulare verwendeten und keine faire, objektive Formel für eine Gehaltserhöhung fanden. Basierend auf dem Feedback, das wir erhalten haben, haben wir den Prozess erheblich verbessert. Aufgeben war nie eine Option.

Unser aktueller Prozess

Vorbereitungsphase

Sowohl Teams als auch Einzelpersonen werden bewertet. Die endgültige Gesamtpunktzahl jedes Gini setzt sich aus seiner individuellen Leistung (60%) sowie der Leistung seiner Teams (40%) zusammen. Wir möchten, dass die Mitarbeiter nicht nur für ihre eigene Leistung sorgen, sondern Hand in Hand mit ihren Teamkollegen arbeiten, um ihr Team voranzubringen.

Alle Ginis geben anfangs an, in welchen Teams sie arbeiten. Zusätzlich wählen sie drei andere Teams aus, die sie bewerten möchten (ausgenommen ihrer eigenen). Jeder Gini wird automatisch von den Teamkollegen in einzelnen Abschnitten bewertet, kann aber auch zusätzliche Bewerter außerhalb der eigenen Teams auswählen. Am Ende schreibt jeder Gini die drei wichtigsten persönlichen Erfolge der letzten 12 Monate nieder.

Evaluierungsphase

Eine wichtige Änderung, die wir im Laufe der Zeit vorgenommen haben, war das von uns verwendete Tool. In den vorherigen Prozessen hatten wir Google-Formulare verwendet. Diese waren schwierig zu handhaben und sehr verwirrend. Aus diesem Grund haben wir unser eigenes Tool erstellt.

Nach Abschluss der Vorbereitungsphase erhält jeder Gini eine E-Mail für jeden Gini und jedes Team, welches es zu bewerten gilt. Das Tool präsentiert denjenigen die wichtigsten Erfolge des Teams/der Person (um dem Primacy-Recency-Bias entgegenzuwirken) und lässt den Gini dann die Leistung bewerten.

Die Teams werden anhand ihrer Erfolge und Fortschritte in den letzten 12 Monaten bewertet. Einzelpersonen werden anhand vieler Fragen bewertet, die sich um ihr Wissen, ihren Fähigkeiten und ihrem verantwortungsvollen Handeln drehen. Abgesehen von den quantitativen Daten, die wir sammeln, muss jeder auch qualitative Kommentare abgeben.

Performance Evaluation Tool Startseite

Performance Evaluation Tool Startseite

Entscheidungsphase

Das Performance Evaluation Komitee analysiert sowohl die quantitativen als auch die qualitativen Daten. Sie erstellen für jede Person einen Bericht, der ihre quantitativen persönlichen Ergebnisse sowie die Leistung ihrer Teams enthält. Die Kommentare werden eins zu eins übernommen, um so eine qualitative Komponente zu schaffen. Das Komitee verwendet Formeln, die speziell für diesen Prozess entwickelt wurden. Die erste Formel besteht darin, die Gesamtpunktzahl einer Person zu analysieren.

(40% Teambewertung + 60% Einzelbewertung) : 2 = Gesamtpunktzahl

Der nächste Schritt besteht darin, Marktgehälter zu recherchieren und festzulegen, wann eine Gehaltserhöhung erfolgen würde (=Leistungsplus). Dafür hat das Komitee Senioritätsstufen (in Summe 8 Stufen) definiert. Für jede Stufe und jede Position ermittelt das Komitee die minimale Gesamtpunktzahl, die ein Gini in dieser Stufe erreichen sollte. Wenn ein Gini über dieser Schwelle liegt, sprich die Erwartungen übererfüllt hat, erhält er ein Leistungsplus von bis zu 10% auf das Marktgehalt. Wo nötig wird ein Teilzeitfaktor hinzugenommen.

(Marktgehalt x Performance Plus) x Teilzeitfaktor = Neue Vergütung

Übergabephase

Das Komitee plant Einzelgespräche mit allen Teilnehmern, um sie durch ihren Bericht zu führen.

Jeder Gini erhält alle quantitativen Daten sowie die Kommentare in seinem Bericht zur Einsicht. Abzeichen werden an diejenigen vergeben, die in einem bestimmten Bereich besonders gut abschneiden.

Nach der Vorlage des Einzelberichts wird jeder Gini darüber informiert, welche neue Vergütung er basierend auf der Formel erhält oder ob die Vergütung gleich bleibt.

Im letzten Schritt sammelt das Komitee Feedback von allen Ginis, um den Prozess für die nächste Iteration zu verbessern.

Hand aufs Herz – Lohnt es sich?

Drei Iterationen nach dem ersten Prozess blicken wir zurück und fragen uns: Ist es ein makelloser Prozess, der für alle perfekt ist? Nein. Ist es gut investierte Zeit? Ja.

Der Prozess wird niemals subjektiv von allen und in jeder Iteration als fair wahrgenommen werden. Es wird immer Fälle geben, in denen eine Person Einwände gegen die Ergebnisse hat und das akzeptieren wir. Wir akzeptieren, dass ein solcher Prozess wahrscheinlich nie perfekt sein kann und sind deshalb bestrebt, ihn ständig zu verbessern. Wir als Unternehmen ändern uns, die Menschen ändern sich und wenn wir in 2020 eines gelernt haben, dann, dass sich auch die Umstände im Handumdrehen ändern können. Was heute angewendet werden kann, ist möglicherweise in einem Jahr nicht mehr anwendbar. Aus diesem Grund bitten wir alle Ginis immer wieder um Feedback, um sicherzustellen, dass der Prozess für unsere aktuelle Situation und Iteration funktioniert. Und doch ist es weiterhin jede Sekunde wert. Natürlich ist es kein einfacher Prozess. Aber wir machen diese langwierige Evaluation auch nicht, weil es einfach ist – sondern weil es einfacher wird, wenn wir faire und klare Prozesse zur Hand haben. Daher werden wir weiterhin daran arbeiten, diesen Prozess zu verbessern. Der Weg ist das Ziel.

Falls Du noch mehr darüber wissen möchtest, wie wir bei Gini fachliches und persönliches Wachstum fördern, empfehlen wir Dir unsere Blogartikel zu Stewarding, Rollenwechsel, oder wie wir individuelle Weiterentwicklung fördern.

 

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Du möchtest Teil eines Unternehmens werden, dem echte Fairness und Transparenz am Herzen liegt? Schau Dir unsere offenen Stellen an – wir freuen uns, Dich kennen zu lernen!

Nicola Heckler

Passionate about people, continuous learning, and tea. People & Org Development @Gini.

Wir bei Gini möchten mit unseren Beiträgen, Artikeln, Leitfäden, Whitepaper und Pressemitteilungen alle Menschen erreichen. Deshalb betonen wir, dass sowohl weibliche, männliche als auch anderweitige Geschlechteridentitäten dabei ausdrücklich angesprochen werden. Sämtliche Personenbezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter, auch dann, wenn in Inhalten das generische Maskulinum genutzt wird.