Es wird oft davon ausgegangen, dass Selbstorganisation mit sich selbst beginnt. Richtig? Falsch. Wir werfen einen genaueren Blick auf die Themen Selbstorganisation und Selbstmanagement.
Es wird oftmals angenommen, dass individuelle Autonomie das ist, was Selbstorganisation ausmacht. Wir alle haben die Macht und können tun, was wir für das Beste halten. Bis zu einem gewissen Grad stimmt das auch. Aber für ein komplexes System ist das eine Katastrophe. Zumindest war das bei Gini so. Wir haben erkannt, dass der Abbau von Hierarchieebenen nicht automatisch zu mehr Partizipation, Eigenverantwortung und Leistung führt. Stattdessen entsteht eine Art Chaos aufgrund von mangelnder Koordination und Zusammenarbeit.
Aber Gini hat dazugelernt. Und wir möchten mit euch teilen, was wir aus dieser Zeit gelernt haben.
Gelingende Selbstorganisation braucht hohe Selbstmanagementkompetenzen
Zunächst einmal ist es wichtig den Begriff Selbstorganisation genauer zu erläutern.Selbstorganisation beschreibt, wie eine Ordnung in sozialen Systemen entsteht. Selbstorganisation ist überall. Es ist ein Phänomen, das in jeder Organisation vorkommt und sie überhaupt erst am Laufen hält. In den meisten klassisch hierarchischen Unternehmen findet sie sich eher auf der informellen Ebene. Generell würden Organisationen ohne Selbstorganisation nicht mehr funktionieren. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation wird jedoch in der Regel durch Machthierarchien eingeschränkt. Das bedeutet auch, dass ein Unternehmen nicht nicht-selbstorganisiert sein kann. Selbstorganisation kann nicht verordnet oder verkündet werden. Sie kann nur entfesselt werden.
Dabei hängt die Qualität der Selbstorganisation davon ab, wie gut die Menschen darin sind, sich selbst zu managen. Wir brauchen das richtige Umfeld, die richtigen Prozesse und die richtigen Strukturen, damit Selbstmanagement stattfinden kann. Und wir müssen Selbstmanagement üben, zum Beispiel durch Reflexion, offene Kommunikation, Rechenschaftspflicht und eine klare Zusammenarbeit.
Selbstmanagement und Selbstorganisation beeinflussen sich gegenseitig, verfolgen ähnliche Ziele und sind nicht zu hundert Prozent voneinander zu trennen. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, wie sie sich unterscheiden und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. In diesem Blogartikel möchten wir einen Überblick darüber geben, wie wir sie verstehen und sie bei Gini in die Praxis umsetzen.
Warum wir uns für Selbstorganisation entschieden haben
Wir haben bei Gini nicht als selbstorganisierendes Unternehmen angefangen. Wir waren ein klassisch hierarchisches Unternehmen und es fühlte sich so an, als wären wir sehr langsam. Zudem kam der Faktor, dass die Mitarbeiter unglücklich waren. Daraufhin haben wir beschlossen, es mit vollständiger Selbstorganisation zu versuchen – und es wurde noch schlimmer! (Mehr darüber, was passiert ist, könnt ihr hier nachlesen.) Nach einigen Anpassungen, die nie wirklich abgeschlossen sind, haben wir erkannt, dass sich der „Sweet Spot“ unserer Selbstorganisation (80 % Selbstmanagement + 20 % klare Führung durch den CEO, den Gründer und das Strategy-Team) in Abhängigkeit von unserer Geschäftsstrategie und unseren Märkten ständig neu entwickelt. Wir nennen es „The Gini Way“.
Unsere Herausforderungen und Zielkonflikte
Obwohl sich die Welt so schnell verändert, hatten bisher nur wenige Menschen die Gelegenheit in einem Unternehmen zu arbeiten, das einen so hohen Grad an Selbstorganisation aufweist wie wir. Die meisten von uns wissen also noch nicht, wie man in einem solchen Arbeitsumfeld funktioniert. Zu Beginn nahmen wir an, dass wir es einfach tun könnten, weil es alle wollten. (Wir haben das Nike-Motto wörtlich genommen – ein großer Fehler.)
Inzwischen haben wir verstanden, dass es bewusster Übung bedarf und dass wir uns auf das Erlernen von Selbstmanagementkompetenzen konzentrieren müssen. Die Mitarbeiter kommen mit einem unterschiedlichem Erfahrungsschatz in die Organisation, und der Schlüssel liegt darin, alle schnell auf dasselbe Niveau zu bringen. Und das richtige Mindset ist entscheidend.
Wir haben nämlich gelernt, dass das richtige Mindset durch ein Umfeld entsteht, das bestimmte Verhaltensweisen und Muster fördert. Zum richtigen Umfeld gehört auch, dass man den Mitarbeitern die Möglichkeit gibt zu lernen, wie sie sich selbst managen können, anstatt davon auszugehen, dass dies von selbst geschieht. Und all das braucht Zeit – es ist ein Entwicklungsprozess.
Bei Gini besteht ein Kompromiss darin, dass wir junge Talente einstellen, die lernwillig sind und nach drei bis vier Jahren wieder gehen, um etwas Neues auszuprobieren. Ginis mit längerer Betriebszugehörigkeit tragen dann eine größere Last bei der „Ausbildung“ neuer Ginis und der gleichzeitigen Pflege der Kultur (Instandhaltung).
Die andere Herausforderung ist, dass diese Arbeitsweise nicht für jeden geeignet ist – und das ist auch völlig in Ordnung. Es bedeutet nur, dass wir uns besonders anstrengen müssen, um die richtigen Leute zu finden, die dazu passen oder die Bereitschaft zeigen, Selbstmanagement und den Umgang mit einem hohen Maß an Autonomie zu lernen.
Das Ausmaß an autonomer Arbeit und der damit verbundenen Herausforderungen können jedoch auch überfordernd wirken. Wir erkennen und respektieren, dass manche Menschen es vorziehen, klare Anweisungen zu erfüllen und weniger mit gestalten möchten. Bei Gini geht es nicht nur darum, sich in die Rolle einzuarbeiten und das zu leisten, wofür man bezahlt wird, sondern auch darum, mit größerer Autonomie und in Zusammenarbeit mit anderen effektiv zu arbeiten. Autonomie – auch das ist ein Begriff, den viele Menschen mit „ganz allein“ und „so, wie ich es für mich am besten finde“ gleichsetzen, während es in Wirklichkeit um geteilte Entscheidungsgewalt geht. Man muss seine Entscheidung immer noch mit anderen abstimmen und sie informieren.
Um zu lernen, wie man die eigene Autonomie stärkt und sich selbst managed, muss man über Erfahrungen verfügen, die man mit der Zeit sammelt. Wie bereits erwähnt, haben wir bei Gini gelernt, dass nicht jeder auf dem gleichen Erfahrungsniveau anfängt, also müssen wir das berücksichtigen und die Menschen dort unterstützen, wo sie stehen. Aus diesem Grund haben wir Stewards, Mentoren und Onboarding-Buddies.
Wir haben festgestellt, dass es je nach Seniorität eine gewisse Zeit dauert, bis die Mitarbeiter vollständig eingearbeitet sind und sich in einer Selbstorganisation wohl fühlen. Diese zusätzliche Zeit ist das Ergebnis des Versuchs, zwei Dinge gleichzeitig zu tun: Wir arbeiten daran, den Ginis durch Führungsentwicklung, Kommunikationstraining und Übungsgruppen oder Pilotgruppen, die in der Organisation etwas ausprobieren, einen sicheren Ort zu bieten, an dem sie beobachten, experimentieren und lernen können, sich selbst zu managen. So ist es möglich, in dem Fachbereich in dem die Ginis eingestellt wurden, schneller voran zu kommen.
In welchem Zustand befinden wir uns jetzt?
Wie die meisten Unternehmen, die ein höheres Maß an Agilität anstreben, verbessern wir stetig unsere Prozesse, überprüfen unsere Grundannahmen und aktualisieren unsere strategischen Produktziele.
Wir haben unterschiedliche Prozesse, welche eine gute Selbstorganisation ermöglichen, die im Laufe der Zeit überprüft und neu aufgesetzt werden: Advice Processes, 360°-Peer-Feedback, eine jährliche dezentrale Performance Evaluation und verschiedene Ansätze und Instrumente, die Konsent (im Gegensatz zu Konsens) ermöglichen.
Wir haben auch erkannt, dass Selbstmanagement eine Fähigkeit ist, die wir ausbauen wollen und die für ein effektives und gut funktionierendes selbstorganisierendes Unternehmen entscheidend ist. Wir sind jedoch noch dabei herauszufinden, welche Kompetenzen für uns wichtig sind und gestärkt werden müssen. Bei Gini werden diese Selbstmanagementkompetenzen mit unseren Werten verknüpft sein und zu einer effektiveren Zusammenarbeit beitragen. Wir planen, die Entwicklung jedes einzelnen Gini in diesen Kompetenzen zu verfolgen, indem wir sie in unsere Peer-Feedback- und Performance Evaluation einbeziehen.
Wir können jedoch schon jetzt ein paar Tipps teilen, die uns geholfen haben unsere Selbstmanagementfähigkeiten zu verbessern:
- Erwarte nicht einfach, dass die Mitarbeiter gut in der Selbstreflexion sind, sondern gebe ihnen Gelegenheit, gut darin zu werden, damit sie den Wert darin erkennen. In klassischen Hierarchien bietet der fest etablierte strukturelle Rahmen einen ausreichenden Bezugsrahmen in unklaren Situationen. In selbstorganisierten Systemen ist die externe Struktur minimal, so dass der Informationsaustausch viel wichtiger wird. Wie kann man am besten reagieren, wenn man etwas nicht weiß oder nicht vollständig informiert ist? Wir müssen bedenken, dass unsere eigene Wahrnehmung immer subjektiv ist. Wir brauchen also eine gemeinsame Reflexion, die zu einem gemeinsamen Verständnis der Situation führt. Dies hat sich zu regelmäßigen Retrospektiven auf individueller, Team- und Unternehmensebene entwickelt. Sie finden wöchentlich, monatlich und vierteljährlich statt.
- Wir brauchen Offenheit und Verantwortlichkeit, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen und eine effektive Gruppenleistung zu erzielen. Selbstorganisation ist keine Bühne für Selbstdarstellung im Sinne von „the winner takes all“. Um uns gegenseitig verantwortlich zu halten, haben wir unseren zweiwöchentlichen Team-Exchange eingeführt. Der team Exchange ist für alle Ginis verpflichtend. Bei diesem Meeting tauschen wir uns über die Fortschritte unserer Commitments aus und vereinbaren neue. Wir stellen uns gegenseitig kritische und klärende Fragen, bieten gleichzeitig unsere Hilfe an und zeigen unsere Wertschätzung.
Führung in einem selbstorganisierenden System
Wir haben keine klassischen Hierarchie- oder Kontrollfunktionen, und doch haben wir gelernt, dass eine gute Führung unerlässlich ist und ebenso ein Erfolgsfaktor für eine effektive Selbstorganisation. Wir haben eine Gruppe von Personen ausgewählt, die ein Führungstraining absolviert hat und die jeweils ein Paket von Konzepten besitzen, die sie in unsere Arbeitsweise integrieren werden. Die ausgewählten Personen wurden in einem ersten Schritt von ihren Kollegen nominiert und haben anschließend das Training absolviert. Mit diesem Ansatz wollen wir deutlich machen, dass Führung eine Rolle ist, die man je nach Kompetenzen und Fähigkeiten an- und ablegen kann.
Diese Pakete unterstützen einen Führungsstil, der Selbstmanagement fördert. Die Ginis in dieser Gruppe treffen sich monatlich in einem „Leadership Circle“, um Fortschritte und Ideen zu ihren Paketen auszutauschen, Herausforderungen oder Unterstützung von den anderen zu erhalten und voneinander zu lernen, indem sie es mit ihrer täglichen Arbeit verbinden. Und wir lernen immer wieder, wie gute Führung in einer Selbstorganisation aussehen kann, denn wir haben auch erkannt, dass Selbstorganisation ohne Führung zum Scheitern verurteilt ist.
Unsere Intention bei Gini als Leader von New Work
Wir sind wie viele andere New-Work-Unternehmen da draußen. Wir wollen ein Umfeld schaffen, das es den Menschen ermöglicht, ihr Potenzial wirklich einzubringen. Dies hat zur Folge:
- erfüllte Mitarbeiter, die hervorragende Ergebnisse erzielen
- die Unterstützung und Förderung von individuellem Wachstum und Entwicklung
Als Wissensarbeiter brauchen wir Raum für Kreativität und Innovation – um Lösungen zu finden, die neu und wirklich hilfreich sind. Standard-Lösungen funktionieren einfach nicht mehr.
Bei Gini machen wir viele Dinge wirklich gut, und dennoch streben wir ständig danach, unsere Zusammenarbeit und unsere Prozesse zu optimieren und besser zu machen. Wir sind nie wirklich fertig damit, unser Organisationssystem weiterzuentwickeln. Wir experimentieren weiter und versuchen immer wieder neue Perspektiven einzunehmen. Eine starke Verbindung zu unseren Alumni (Ginis, die eine neue Herausforderung angenommen haben) ist eine Möglichkeit, wichtige externe Perspektiven zu erhalten.

Unser Ziel ist es, unsere Selbstmanagementkompetenzen zu entwickeln, um uns besser selbst zu organisieren.
Wir wollen die Welt wirklich besser machen. Das wollen wir erreichen, indem wir die Realität der Arbeit zu einem Ort machen, an dem wir mit Begeisterung hart arbeiten, uns wertgeschätzt fühlen, unterstützt werden, gefordert sind und Erkenntnisse in die Arbeit einbringen und wieder mit nach Hause nehmen.
Durch Selbstorganisation, unterstützt durch Selbstmanagement, versuchen wir dies zu erreichen.
. . .
Du findest dieses Konzept spannend und möchtest mehr erfahren? Folge uns auf LinkedIn oder Instagram und vernetze Dich mit unserer Expertin: Julia Hirt.
Wenn dies nach einem Umfeld klingt, in dem Du erfolgreich sein möchtest, wirf einen Blick auf unsere offenen Stellen.